Neuigkeiten

Deutschland und das Chip-Problem: Autobauer immer mehr in Bedrängnis

Deutschland hinkt in Sachen Elektromobilität hinterher – und das gewaltig.

Veröffentlicht

am

Elektromobilität: Durch die in Deutschland verschlafene Digitalisierung vieler Lebensbereiche hängt sich die größte Wirtschaftsmacht in Europa immer mehr selbst ab. Die Corona-Krise hat in weiteren Bereichen für eine Verschärfung gesorgt. Es scheint, als ob sich alle selbst im Wege stehen, falsche Entscheidungen treffen und es weiterhin keine brauchbaren Lösungen gibt. Die Automobilindustrie ist nur eine dieser Bereiche und der Trend hält schon seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten, an.

Deutsche Unternehmen verschlafen – alles

Es gibt viele Beispiele für den Niedergang der deutschen Hochtechnologie. Im Bereich der Fotografie war es Agfa. Ein Unternehmen, welches den Trend zur Digitalfotografie verschlief und nicht rechtzeitig umsatteln konnte. Bei Mobiltelefonen sticht Siemens heraus. Noch in den 1990er und frühen 2000er Jahren konkurrierte Siemens mit Firmen wie Ericsson und Nokia um die Marktführerschaft – was spätestens seit den ersten Smartphones vorbei ist.

Die Gründe sind vielschichtig, aber vieles hängt damit zusammen, dass deutsche Unternehmen die Halbleitertechnologie außer Acht gelassen haben und nun US-amerikanische und asiatische Unternehmen diesen Markt beherrschen, bis auf wenige Ausnahmen wie Infineon. Auch im Bereich Software kommen aus Deutschland fast nur noch Nischenprodukte.

Automobilindustrie unter Druck

Der Deutsche und sein Verbrennungsmotor, das ist eine Geschichte für sich. Nur sehr schwer sind hierzulande Autofahrer davon zu überzeugen, auf einen Elektroantrieb umzusatteln. Bis zum heutigen Tage sind die Spitzenmodelle von Audi, BMW, Mercedes und VW große Automobile mit viel PS und Benzin- oder sogar Dieselantrieb. Zwar gibt es vielversprechende Modelle aus Ingolstadt, München, Wolfsburg und Stuttgart, doch an die Zugkraft eines Teslas reichen diese nicht heran. Und gerade, als die deutschen Autobauer dabei sind, im E-Auto-Bereich Fuß zu fassen, verschlafen sie den nächsten Trend.

Ähnlich wie es bei der Entwicklung der Smartphones war – von einem Telefon mit integrierter Kamera hin zu einer Kamera mit einem integrierten Telefon, geht es auch in der Automobilindustrie zu. Denn die neuesten Modelle aus den USA und Fernost sind nicht einfach nur Fahrzeuge, die sich statt mit einem Benzinmotor mit einem Elektromotor fortbewegen. Stattdessen sind es fahrende Elektromonster mit sehr vielen Funktionen und jeder Menge Computerchips im Innern.

Kein Know-how in diesem Bereich

Und genau dort beginnen die Probleme von VW, BMW und Co.: Das Know-how in diesem Bereich fehlt. Zwar können die Deutschen nach wie vor die besten Motoren und Getriebe bauen, doch der Einsatz von effektiven Computerchips und der entsprechenden Technologie fällt den Autobauern sehr schwer. Vom autonomen Fahren ganz zu schweigen. Es fehlt aber nicht nur an Manpower, sondern auch an Möglichkeiten. Außer Infineon befinden sich alle anderen großen Chiphersteller im Ausland:

• NXP in den Niederlanden
• Renesas in Japan
• Texas Instruments in den USA
• STMicroelectronics ebenfalls in den Niederlanden

Und genau das sind die Unternehmen, von denen die Automobilhersteller am meisten abhängig sind. Zudem kam es zu einer Fehleinschätzung bezüglich der Corona-Krise. Die Unternehmen gingen von einer längeren Flaute aus und stornierten daher viele Bestellungen bei den Halbleiterproduzenten. Allerdings ist die Nachfrage nach Autos trotz Krise immens gestiegen, gleiches gilt für die Unterhaltungselektronik: Das bekommen gerade alle PC-User zu spüren, die eine neue Grafikkarte brauchen.

Als Schlüsseltechnologie wurden die Computerchips von den Autobauern bisher nicht wahrgenommen. Das ändert sich zumindest ein wenig. So hat VW-Chef Herbert Diess jüngst verkündet, dass VW in das Design von Chips einzusteigen gedenkt. Apple, Tesla und andere haben mehr Definitionskompetenz bei Halbleitern. Um bei den hohen Anforderungen im Auto die optimale Leistung zu erzielen, müssen Software und Hardware aus einem Guss kommen. Das von der Wirtschaftswoche zitiert. Eine Einsicht, die vielleicht viel zu spät kommt.

Krise verstärkt die Misere

Computerchips fehlen an allen Ecken und Enden. Es geht dabei nicht nur um neue Techniken, sondern auch um bewährte. Die fehlenden Halbleiter für Airbags und andere Steuerkomponenten in Autos führen dazu, dass weltweit die Maschinen in der Autoindustrie stillstehen. Nach Schätzungen von Experten werden im Jahr 2021 4,5 Millionen weniger Autos produziert, das entspricht einem Rückgang von 5 Prozent. Als die Nachfrage nach Autos sich verringerte, orientieren sich Chiphersteller um und belieferten die IT-Branche – eine der Branchen, die massiv von der Corona-Pandemie profitieren konnte. Die Nachfrage nach Computern, Laptops, Smartphones und Co nahm rapide zu, denn im Homeoffice haben die Menschen mehr Zeit und, vor allem, mehr Bedarf an Elektronik aller Art.

Regierung arbeitet ebenfalls an Lösungen

Dass der Technologiestandort Deutschland aufgrund des Chip-Problems massiv in Gefahr ist, hat inzwischen auch die Bundesregierung erkannt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier etwas hat mit einem großen taiwanesischen Unternehmen eine Kooperation geschlossen und das Wirtschaftsministerium fördert mit einer Summe von 1 Milliarde Euro insgesamt 40 deutsche Unternehmen bis 2023, um eine Chipherstellung in Deutschland und Europa zu etablieren. Bis dahin wird jedoch noch viel Zeit vergehen, denn eine neue Fabrik zur Herstellung von Computerchips ist ein sehr zeitintensives und kompliziertes Unterfangen.

You must be logged in to post a comment Login

Leave a Reply

Antworten abbrechen

Empfehlungen

Die mobile Version verlassen